Einundzwanzig Knoten Wind direkt auf die Nase. Ohne Headset ist da die Kommunikation deutlich gestört. Gaby an der Ankerwinsch und ich am Steuerstand. Wenn wir uns nicht schon 25 Jahre kennen würden, würde so ein Manöver nicht funktionieren. Aber wir lieben es klassisch. Selbst mir hinter der Scheibe weht immer wieder die Gischt ins Gesicht. Wortfetzen, die alles bedeuten können, erreichen mein Ohr. Meist durch das Heulen des Windes in Silben zerlegt, dünn und nichtssagend. Allein die Handzeichen lassen erahnen, in welche Richtung ich den Katamaran zu drehen habe. Der Anker kommt aus dem trübgrauen Wasser nach oben und wie erwartet ist er voll mit schwarzem Schlamm. „Lass ihn wieder runter!“, schreie ich nach vorne. Den Anker kurz unter der Wasseroberfläche hängend, nehmen wir Fahrt auf. Port Control Pago Pago meldet sich um vier Uhr nachmittags nicht mehr, und so gehen wir davon aus, dass uns die Erlaubnis zum Befahren der Ankerbucht gestern beim Ausklarieren erteilt wurde. Vorbei an der Fischfabrik, die ab und zu mal einen üblen Geruch im Ankerfeld verbreitet hat. Vorbei an Fischerbooten, die heutzutage die Fanggebiete mit Hubschraubern abfliegen. Ja, die Fangquoten gehen zurück, da muss man technisch aufrüsten. Vorbei an diversen Versorgungsschiffen, ohne die ein Leben auf den Inseln gar nicht mehr möglich wäre. Drei Dinge bleiben uns in Erinnerung, wenn wir von Amerikanisch-Samoa reden: Der Busverkehr für einen Dollar pro Person, Kirchen und die Grabstätten im Vorgarten. Und selbstverständlich auch die freundlichen Menschen hier.
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Busverbindung in American Samoa |
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Wir fahren in die Nacht, Samoa |
Draußen erwartet uns eine drei Meter hohe Welle. Unablässig rollt sie auf die Küste zu und bricht mit einer gewaltigen, weißen Schaumkrone am vorgelagerten Riff. Und wir mitten drin und nicht nur dabei. Katinka Enjoy steigt steil bergan und kracht dann mit ihren 15 Tonnen ins Wellental. Gaby verträgt so ein Wetter überhaupt nicht und kämpft mit der Seekrankheit. Im Salon kracht es wieder einmal, und der Ventilator hat die Fliehkraft überwunden, bis die Erdanziehung ihn jäh wieder zu Boden reißt. Kurz darauf macht sich ein Glas samt Inhalt selbständig und zerschellt unterhalb des Cockpittisches. Ich versuche, den Katamaran in einen halbwegs ertragbaren Winkel zu Welle zu bringen, muss aber aufpassen, dass ich nicht zu nahe an das Riff komme. Die ersten fünf Seemeilen klopft uns diese unangenehme Welle das Hirn heraus. Endlich haben wir genug Raum zwischen uns und der Küste gewonnen, sodass wir die Welle etwas anschneiden können, was uns hilft, mehr schlecht als recht über diese Wasserberge hinwegzugleiten. Mit der Genua machen wir jetzt fünf Knoten Fahrt durchs Wasser. Hier draußen hat es fünfundzwanzig Knoten und die Geräuschkulisse ist wieder einmal gigantisch. Aber Gaby hat sowieso keine Lust zu reden und ehrlich gesagt haben wir sowieso alle Hände voll zu tun, um uns festzuhalten. An der Südwestseite von Amerikanisch-Samoa setzen wir dann Kurs nach Nordwesten und haben die Welle nun von achtern. Das Boot nimmt noch einmal Fahrt auf und wir rauschen bei Vollmond in die Nacht. Ziel ist die Nachbarinsel Samoa. Früher Westsamoa genannt und einst deutsche Kolonie, ist Samoa heute unabhängig. Allerdings bringt uns das wieder in den Genuss, einklarieren zu müssen.
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Vollmond auf Samoa |
Wenn man mal von dem Frachter und dem Hubschrauber absieht, der uns eine ganze Weile beobachtet hat, war die Nacht eher ereignislos. Bis auf die Welle, die für pazifische Verhältnisse wieder einmal viel zu kurz war, hatten wir eine gute Überfahrt. Gut, vielleicht sollte ich die Überschreitung der Datumsgrenze erwähnen. Wir sind am Dienstag losgefahren und haben für die 80 Seemeilen zwei Tage gebraucht. Also nicht wirklich, aber irgendwie doch. Man hat uns einfach den Mittwoch gestrichen. Der Dienstag ist um Mitternacht gleich in den Donnerstag übergegangen. Mittwoch gab es für uns diese Woche nicht. Ob das jetzt an dem herausgeklopften Gehirn liegt, weiß ich nicht. Auf jeden Fall erreichen wir um sieben Uhr am Donnerstagmorgen die Nordost-Ecke von Samoa und eine Stunde später laufen wir in den Hafen von Apia ein. Port Control gibt uns die Anweisung, im Hafenbecken zu ankern und auf das Einklarieren zu warten. Als Erste kommen Port Control selbst und der Gesundheitsinspektor. Von Port Control werde ich angewiesen, mit dem Dinghy den Zoll am Ponton der Marina abzuholen. Zwei Damen und ein junger Mann entern mit schwarzen Springerstiefeln unser Boot. Die Oberfläche sieht danach aus wie die einer Lkw-Ladefläche nach fünf Jahren Gebrauch. Aber was will man machen? Im Hafenbecken liegen noch zwei andere Yachten. Mangels Gefährt wird mein Dinghy kurzerhand als Taxi-Boot umfunktioniert. So schnell kann ich gar nicht schauen, fahre ich zwischen den Booten hin und her. Inzwischen ist Biosecurity in der Marina eingetroffen. „Ralf bitte abholen“, sagt die Lady vom Zoll. Ich fahre also wieder in die Marina und anschließend alle Boote im Hafenbecken ab. Zum Schluss kommt dann noch die Immigration und nimmt uns die Pässe und die Bootspapiere ab. Morgen können wir diese in der Stadt abholen und sind dann offiziell einklariert. Auch den Herrn von der Immigration fahre ich wieder zurück, nachdem er alle Boote inspiziert hat. Nach vier Stunden ist der Spuk vorbei und die ganze Anspannung fällt von uns ab. Die Marina hat heute noch keinen Platz für uns, aber morgen verlässt ein Boot die Marina, was uns die Möglichkeit gibt, bequemer an Land zu kommen.
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Kirche in Apia, Samoa |
Wir freuen uns auf Samoa und sind gespannt, welche Unterschiede es zur amerikanischen Insel gibt. Eins scheint schon einmal klar: Die Menschen sind genauso lebensfroh wie auf Amerikanisch-Samoa, was uns schon mal sehr gefällt. Was wir auf Samoa alles erleben, erzähle ich im nächsten Blog. Bis dahin euch immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und haltet die Ohren steif und mir einen guten Schlaf.
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