Es ist Kuhnacht oder „pitch dark“, wie der Engländer zu pflegen sagt. Man sieht die Hand vor Augen nicht. Plötzlich war der Wind da. 23 Knoten, zum Glück aus Südost. Wir fahren in die richtige Richtung. Nicht immer selbstverständlich, zwingt uns doch das Wetter oft, einen Umweg zu nehmen. Zunächst denke ich, es ist wieder einer der Squalls, die uns jetzt seit zwei Tagen, ja schon fast stündlich, besuchen. Doch der Regen bleibt diesmal aus und der Wind lässt auch nicht wie üblich nach einer halben Stunde nach, sondern hält sich weiterhin stabil, sodass wir gut Strecke machen.
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Wir machen Strecke |
Früh am Morgen des Vortages haben wir Apia auf Samoa verlassen. Offensichtlich tun sich die Wettermodelle in dieser Region schwer, denn egal welches, keines stimmt. Die erwarteten 10 Knoten sind dann mal eben 20 Knoten und die angekündigten Regenschauer dehnen sich zu einem Dauerregen aus. Die Squalls geben sich sozusagen die Türklinke in die Hand. Der Katinka Enjoy scheint das Wetter zu gefallen, sie legt mächtig los und immer wieder sehen wir die Neun bei der Geschwindigkeit über Grund. Soweit alles gut, wäre da nicht die Nässe, die mir, am Steuerstand stehend, unter die Klamotten kriecht. Gegen Abend lässt der Intervall so langsam nach. In den Pausen herrscht fast Flaute. Die Lichter der Insel Savai'i, der größeren der beiden samoanischen Inseln, schälen sich durch den Dunst. An der Nordostspitze sind wir nach Westen abgebogen und haben Kurs auf Wallis genommen. Gegen Morgen liegt die Insel achtern aus. Ein paar Sterne sind am Himmel zu sehen und der Morgen ist klar, es scheint sogar die Sonne. Doch dieser Zustand hält nicht lange an. Von Nordwesten kommt neues Gewölk heran. Es dauert nicht lange und die Klamotten sind wieder nass. Letztendlich sind es zu diesem Zeitpunkt die Squalls, die uns voranbringen. Dazwischen herrscht immer wieder Flaute. Gestern gab es noch die restlichen Nudeln in Tomatensoße, heute gibt es eine Kalbsfleischsuppe und anschließend noch ein Thunfischsandwich. Es ist kalt geworden, wobei wir da auf einem hohen Niveau jammern. Bei 26°C würde in Deutschland so mancher über Hitzeprophylaxe nachdenken, hier im Südpazifik, nahe am Äquator, ist das kalt. Wie auch immer, ich habe den Friesennerz herausgeholt und stehe tapfer meinen Mann am Steuerstand.
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Friesennerz in den Tropen |
Wie schon erwähnt, lassen die Squalls in der zweiten Nacht nach und der Ostwind, mit einer gehörigen Portion Süd, setzt ein. Am Morgen stehen wir noch 40 Seemeilen südöstlich von Wallis. Jetzt geht die Rechnerei los. Niedrigwasser ist um 13:21 Uhr. Das ist die idealste Zeit, um in den Pass einzulaufen. Erwischen wir leider nicht. Immerhin haben wir einlaufendes Wasser. Die Strömung zieht uns also rein. Wenn sich der Wind weiterhin so hält, sind wir um 16:00 Uhr am Pass. Gerade noch rechtzeitig, um reinzufahren und einen Ankerplatz zu suchen. Einklarieren werden wir dann am nächsten Tag, wenn wir am Samstag dann überhaupt jemanden finden, der uns einklariert. Aber das werden wir ja sehen. Solange bleibt eben die Q-Flagge gesetzt. Wallis gehört zu Frankreich, also sollte das für uns Europäer kein großes Problem sein. Jetzt gilt es erst einmal, die 40 Seemeilen möglichst schnell hinter uns zu bringen. Je früher wir am Pass sind, desto besser. Leider hat der Wind wieder etwas nach Ost zurückgedreht und ich muss ein bisschen ausholen. Auch 30 Meilen vor Wallis ist noch kein Land zu sehen und die Bewölkung nimmt wieder zu. Aber wer hat gesagt, dass es einfach ist? Kurz bevor wir die 20-Meilenzone erreichen, taucht Wallis vor uns auf. Runde vier Stunden noch.
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Land in Sicht, Futuna und Wallis |
Wir erreichen den Pass ungefähr zwei Stunden nach Ebbe und eine Stunde nach Slack time. Die Slack time ist die Zeit, bei der die Strömung im Pass annähernd null ist. Nach Ebbe beginnt das Wasser wieder in die Lagune hineinzulaufen und die Strömung baut sich in Richtung Lagune auf, erreicht in der Mitte ihren Höhepunkt und geht dann langsam wieder zurück. Wenn die Flut erreicht ist, läuft das Wasser noch ein bisschen nach, bis schließlich wieder die Slack time erreicht ist. Jetzt strömt das Wasser aus der Lagune ins offene Meer und die Strömung baut sich in die entgegengesetzte Richtung auf. Will man also in die Lagune hinein, nutzt man am besten das auflaufende Wasser, will man aus der Lagune raus, das auslaufende Wasser. Im Pass Honikulu, dem Hauptpass von Wallis, kann die Strömung bis zu sechs Knoten betragen. Wir laufen bei zwei Knoten Strömung in den Pass und gelangen ohne Probleme hindurch. Der erste Eindruck von Wallis ist phänomenal. Die Motus am Außenriff sind mit Palmen und viel Grün bewachsen. Ab und zu sieht man eine kleine Hütte. Auslegerboote paddeln gegen die Wellen an. Wallis hat keine ruhige Lagune.
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Motu in Wallis |
Der Wind aus Ost bläst kräftig und es gibt nur wenige geschützte Plätze. Wir erreichen den Hauptort Mata Utu kurz vor Einbruch der Dämmerung und ankern auf 14 Metern. Die gelbe Quarantäneflagge ist gesetzt. Wir sind gespannt, ob wir morgen einklarieren können. Schließlich ist Wochenende und allzu viele Jachten kommen in Wallis nicht an. Wir werden sehen und berichten im nächsten Blog. Bis dahin immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und haltet die Ohren steif.
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