Wenn man die Zeitumstellung berücksichtigt, ist es in Europa um 11:30 Uhr schon nach Mittag. Wohlwollend betrachtet Nachmittag. Zeit also für die erste Mischung. Dünn dosiert, ist sie sogar gesundheitsfördernd und regt den Kreislauf an. Man kann dieser Mischung also überwiegend positive Eigenschaften zuordnen. Für Nicht-Österreicher sei erklärt, dass eine Mischung, eine Weiß- oder Rotweinschorle ist. Also ein Glas Wein mit Mineralwasser, wobei „Dünn“ den höheren Anteil an Wasser in dieser Mischung definiert. Es ist nicht unüblich, dass man in der Steiermark, um oben genannte Uhrzeit, mit dem Spruch: „Mogst a Mischung“ konfrontiert wird. „A Dünne geat schou“ ist dann die richtige Antwort und so kommt es, wie es kommen muss.
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Steirische Toskana |
Wir freuen uns auf die Steiermark. Das letzte Mal war ich vor fünf Jahren dort. Beim Leo im Buschenschank feierten wir damals Abschied, als wir uns danach auf große Fahrt begaben. Es war ein rauschendes Fest, weit weg von unserer Katinka, die damals in Loano, in der Nähe von Genua lag. Die Taktik ging fast auf und es flossen nur vereinzelt Abschiedstränen.
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Bad Radkersburg, Steiermark |
Mit dem Zug geht es von Stuttgart nach Graz. In den acht Stunden können wir uns langsam auf das Wiedersehen vorbereiten. Die Freude ist riesengroß. Der Steirer – ohne jetzt wieder ins Gendern zu verfallen, gehören die Dirndln natürlich auch dazu – drückt seine Freude mit Gemütlichkeit aus. Ein Achtel Wein oder eben eine Mischung dazu eine Brettljausen und man fühlt sich gleich wie zu Hause. Es gibt viel zu erzählen und eher man sich versieht, reichen der Tag und die Nacht nicht aus, das Erlebte unterzubringen. Irgendwann siegt dann die Vernunft und wir fallen in einen tiefen aber kurzen Schlaf. Der Höhepunkt ist dann wieder bei Leo erreicht. Ein uriger Buschenschank in der Südoststeiermark. Gaby hat mit dem Dialekt der Südoststeirer so ihre Schwierigkeiten und schaut mich auf die Frage: „Wou kumst jetz her?“ Hilfe suchend an. Ich antworte dann statt ihrer und übersetze dann anschließend ins Schwäbische. Doch diese sprachlichen Barrieren sind nicht wirklich ein Problem, haben wir doch in den letzten fünf Jahren, in all den Ländern deren Sprache wir nicht sprechen, gelernt damit umzugehen und finden oft aus dem Zusammenhang heraus, was gemeint ist.
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In der Südoststeiermark |
Die größere Herausforderung ist die Gemütlichkeit und speziell die Dinge, die dazu beitragen. Kalter Schweinsbraten, Schinken, Grammelschmalz, Gehacktes, Kren all die feinen Sachen, die es zu essen und zu trinken gibt, schlagen gewaltig zu Buche. Die Hose wird immer enger und Bedenken meinerseits werden mit dem Spruch: „Ach geh, so jung kumm mehr nemmer zam“, in Luft aufgelöst. Man muss diesen Menschenschlag einfach lieben und wer mir nicht glaubt, kann sich gerne selber davon überzeugen. Die Südoststeiermark ist von Bad Radkersburg bis Graz touristisch voll erschlossen. Ob das jetzt ein Kuraufenthalt in den Thermalquellen, einen Sportaufenthalt mit Biken oder Golfen oder eine Burgen und Schlösser Tour ist, es ist für jeden was dabei. Hier wird Gastfreundschaft, Gemütlichkeit durch die Herzlichkeit der Menschen noch großgeschrieben. Die Südoststeiermark ist immer noch ein Geheimtipp. Um so schwerer fällt uns dann immer wieder der Abschied.
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Riegesburg, Steiermark |
Mit einer kleinen Rundreise durch die Weinberge, einen Besuch in Riegesburg, versuchen wir diesen so lange wie möglich herauszuzögern. Als junger Bursch bezwang ich die Hügellandschaft zwischen Feldbach und Riegesburg mit einem Dreigang-Fahrrad, wo es die besten Marillenknödel auf der Welt gab. Immerhin sind hier Steigungen von bis zu 16 % zu bewältigen, was mir als junger Kerl nicht besonders schwerfiel. Unterhalb der Burg, die allen Türkenangriffen trotzte, waren neben den Knödeln, die Geschichten über die Burg so spannend, dass es mich immer wieder dort hinzog. Heute noch, komme ich nicht drumherum, zumindest einen Blick auf den Fels und dem darauf thronenden Gemäuer zuwerfen. Auch wenn es dort schon lange keine Knödel oder Topfenstrudel mehr gibt, und auch niemand mehr da ist, der diese spannenden Geschichten von Weingeistern, Hexen und der Gallerin, erzählen kann. Aber auch diesmal kommt es, wie es kommen muss. Der Abschied fällt schwer und während ich das hier aufschreibe, sitzen wir im Zug von Graz nach Stuttgart und fahren durch das Ennstal, vorbei an traditionellen Bauernhöfen, Holzwirtschaft und kleinen Dörfern. Die Zeit in Österreich ist wieder vorbei und auch die Tage in Deutschland sind gezählt. Unsere Katinka wartet schon und so wie mich damals, die spannenden Geschichten der Riegesburg fasziniert haben, so gespannt bin ich auf die Abenteuer, die wir mit unserem Segelboot, bei unserer Reise rund um die Welt, erleben. Gerne erzähle ich davon, wie einst der Mensch, der mich mit seinen Geschichten aus der Südoststeiermark so fasziniert hat. In diesem Sinne, wie immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und haltet die Ohren steif. Übrigens, sind auch diesmal ein paar Tränen geflossen.
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