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Zurück in die Zukunft

36 Kilo hängen an meinem Arm und ich schwitze, dass meine Klamotten von innen völlig durchnässt sind. Dazu kommt der Regen, der den Rest, der noch trocken ist, auch noch einfeuchtet. Am Morgen habe ich den Bus von Whangarei nach Auckland genommen und bin am nationalen Flughafen ausgestiegen. Nicht ganz freiwillig, da es zu regnen angefangen hat und der Bus aufgrund des Ausbaus des internationalen Flughafens, nicht näher als einen Kilometer an diesen herankommt.  Hunderwasserhaus in Whangarei, Neuseeland Folgen Sie der grünen Linie, heißt es auf einem Schild, in der auch die Minuten der Gehzeit angegeben sind. 16 Minuten stehen da, die aber nur mit leichtem Handgepäck erreichbar sind. Hinzu kommt, dass diese grüne Linie weitestgehend im Freien verläuft und nur an wenigen Stellen überdacht ist. Solange es nicht regnet, kein Problem, aber Segler sind bekanntlich wasserscheu und es gießt in Strömen. Ich erreiche endlich die Halle des internationalen Bereichs des Flughafens von Auckland...

Allein auf weiter Flur

Die Wolkendecke hängt auf gefühlter Masthöhe und kommt bedrohlich von hinten auf mich zu. Das Meer aufgewühlt, fernab von dem kitschigen Azurblau – Nein, eher Schwarz-Grau. Die Szenerie könnte für einen Gruselfilm nicht besser sein. Der Wind hat auf 25 Knoten aufgefrischt und die erste Reffleine ist gespannt. Die Genua habe ich vorsichtshalber auch um zwei Drittel reduziert und kann schnell wieder vergrößert werden. Da ich Einhand unterwegs bin, wähle ich die konservative Variante – ich muss ja nicht gleich den Boris heraushängen. 

Schlechtwetter im Anzug

Eigentlich habe ich mit besserem Wetter gerechnet, aber das kann man sich nicht immer aussuchen. Tatsächlich bin ich in dieser Saison schon spät dran, was heißt, Saison, die ist ja schon vorbei. Im Prinzip bin ich schon in der Zyklonenzeit, und ich habe so das Gefühl, als ob mich dieser Squall ganz am Anfang meiner Reise darauf hinweisen will. Die Zyklonenzeit ist auch der Grund, warum ich den Törn Einhand durchführe. Die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist das eine, für jemanden anderes sieht das schon ganz anders aus. Ich kann und will das nicht, und so mache ich mich allein auf die weite Reise von Tahiti nach Neuseeland. 2200 Meilen (ca. 3.541 km) in direkter Route, die sich wahrscheinlich auf 2500 Seemeilen ausdehnen wird. Eine Strecke, die die südlichen Cookinseln streift und dann weit südlich von Tonga auf die Nordinsel von Neuseeland zuläuft. Eine Route über einen unwirklichen Ozean, fernab von Zivilisation, inmitten von Nirgendwo. Also, allein auf weiter Flur.

Logbuch schreiben gehört auch dazu

Bei schönstem Wetter geht es in Papeete los. Die Insel deckt den Südostwind ab, und so komme ich im Kanal zwischen Außenriff und Flughafen Faaa sehr schnell voran. Nicht schnell genug, denn ein 50' Lagoon überholt mich auf halber Strecke und belegt natürlich den einzigen Anlegeplatz an der Tankstelle in der Taina Marina. Ich muss also warten und drehe im Hafenbecken auf dem Teller, um nach dem Tanken direkten Kurs auf den Südpass nehmen zu können. Jenen Pass, den ich Ende März genommen habe und auf Tahiti gelandet bin. Achteinhalb Monate sind das jetzt schon wieder her. Wie die Zeit vergeht. Ich komme an den Surfern vorbei, die mich damals begrüßt hatten, und winke Ihnen zum Abschied zu. Die Welle außerhalb ergreift mich und schüttelt mich kräftig durch, so als wollte der Ozean sagen: „Na, bis du auch einmal wieder da, wo warst du denn so lange?“ Wind hat es immer noch keinen, was die Schiffsbewegung noch unerträglicher macht. Doch das ändert sich schnell und die Katinka nimmt mit Vollzeug, Fahrt auf. 

Schnell unterwegs

Im Dunst liegt Moorea querab, und mit acht Knoten bin ich ganz schön schnell unterwegs. Neue Segel und vor allem deutlich weniger Gewicht tragen dazu bei. Am späten Nachmittag hängen dann die Wolken immer tiefer und der Wind frischt auf 25 Knoten auf. In der Böe hat es auch schon mal 30 Knoten auf der Anzeige und ich überlege, ob ich nicht das zweite Reff setzen soll. Ich beschränke mich aber auf die Genua, von der der größte Teil in der Rollanlage verschwindet. Trotzdem bleiben die acht Knoten Fahrt erhalten und im Surf auf der mittlerweile dreieinhalb Meter hohen Welle kommen auch schon einmal 14 Knoten zusammen. Der Routenplaner zeigt dann immer neun Tage bis zum Ziel an, was natürlich völliger Blödsinn ist, mir aber jedes Mal einen Motivationsschub mitgibt. Trotzdem hätte ich es mir zu Anfang etwas ruhiger gewünscht. Die 20 Knoten bleiben allerdings erhalten, und zum Teil steigt die Welle bis auf sechs Meter und mehr an. Das Schlimme ist nicht die Höhe der Welle, das Problem ist die Frequenz. Mit fünf Sekunden Intervall kommen einem diese Dinger wie Monster vor, deren schwarze Zungen nach dir lechzen und deren weiße Gischtstreifen wie Sabber aus einem riesengroßen Maul laufen, welches dich jeden Moment fressen will. Durch das kurze Intervall sind diese Wellen extrem steil und so manche fangen an zu brechen. Zwei finden den Weg ins Cockpit und eine davon zerschlägt meine Reling auf Backbord. In der Nacht kommt noch hinzu, dass man sie nicht sieht, was die ganze Sache noch etwas nervenaufreibender macht. Wie schon erwähnt, wäre es mir für den Anfang lieber gewesen, es etwas ruhiger angehen zu lassen. Dass es nicht einfach wird, war mir von Anfang an klar. In den einschlägigen Büchern, die Segelrouten beschreiben, ist diese Strecke nicht aufgeführt. Ich leiste sozusagen Pionierarbeit und hätte wahrscheinlich mit dieser Aktion den Seglerischen Pulitzer-Preis verdient. Allein lege ich auf solche Sachen keinen allzu großen Wert, es sei denn, der Preis wäre hoch dotiert, was eher selten der Fall ist. Und zunächst muss ich ja die Strecke auch erst einmal schaffen, wovon ich ausgehe. Sonst hätte ich sie ja nicht angetreten. 

Die ersten fünf Tage sind überstanden

Die ersten fünf Tage nehmen mich also sehr in Anspruch, mit dem Vorteil, Etmale nie dagewesenen Ausmaßes zu erzielen. 176 nautische Meilen in 24 Stunden sind die Höchstgrenze, an der ich mich in Zukunft zu messen habe. Am fünften Tag kommt dann das Groß herunter. Dass Fall ist wieder an der Umlenkrolle gerissen, was ich jetzt schon öfter hatte. Die Genua tut weiter ihren Dienst, und mit sieben Knoten bin ich immer noch sehr schnell. Am sechsten Tag wird es dann gemütlich. Der Wind ist weg, die Welle geht zurück. Ja, es kommt sogar die Sonne zum Vorschein. Über das Spinackerfall baue ich mir ein Notfall. Also keinen Notfall im Sinne eines Unfalls mit gravierenden Ausmaßen, sondern ein Seil, das anstelle des Großfalls das Großsegel den Mast hochzieht. Leider sind die Winkel so ungünstig, dass ich das Groß im zweiten Reff fahren muss – aber immer noch besser als in den Mast zu klettern. Da der Restwind mittlerweile aus Nordost kommt, baume ich die Genua nach Backbord aus und lege das Groß auf Steuerbord. 



So komme ich mit meiner Schmetterlingsbeseglung wenigstens etwas voran. Allerdings werde ich damit nur die 100-Seemeilen-Grenze im Etmal erreichen. So segle ich dahin auf dem großen Ozean, den man auch den Stillen nennt, allein auf weiter Flur. Euch allen, wie immer, eine Handbreit Wasser unter den Kiel und haltet die Ohren steif.

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