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Zurück in die Zukunft

36 Kilo hängen an meinem Arm und ich schwitze, dass meine Klamotten von innen völlig durchnässt sind. Dazu kommt der Regen, der den Rest, der noch trocken ist, auch noch einfeuchtet. Am Morgen habe ich den Bus von Whangarei nach Auckland genommen und bin am nationalen Flughafen ausgestiegen. Nicht ganz freiwillig, da es zu regnen angefangen hat und der Bus aufgrund des Ausbaus des internationalen Flughafens, nicht näher als einen Kilometer an diesen herankommt.  Hunderwasserhaus in Whangarei, Neuseeland Folgen Sie der grünen Linie, heißt es auf einem Schild, in der auch die Minuten der Gehzeit angegeben sind. 16 Minuten stehen da, die aber nur mit leichtem Handgepäck erreichbar sind. Hinzu kommt, dass diese grüne Linie weitestgehend im Freien verläuft und nur an wenigen Stellen überdacht ist. Solange es nicht regnet, kein Problem, aber Segler sind bekanntlich wasserscheu und es gießt in Strömen. Ich erreiche endlich die Halle des internationalen Bereichs des Flughafens von Auckland...

Menschen

Jeder Mensch ist anders und auf einer Reise um die Welt lernt man so manchen ein wenig näher kennen. Zunächst sind wir ausgezogen, um fremde Kulturen und deren Menschen kennenzulernen. Auch wenn wir nicht ihre Sprache sprechen, kann man sich dennoch mit etwas Geduld nach und nach in die Menschen hineinversetzen und etwas von ihrer Denkweise erfahren. Nicht zuletzt haben wir schon viele Dinge dabei gelernt. Man lernt aber auch sehr viele Leute aus dem eigenen Kulturkreis kennen. Menschen, die, wie wir, ausgezogen sind, um die Welt zu entdecken, fremde Kulturen zu erleben und das Leben auf andere Weise zu meistern, als es in unserem sonst so üblichen gesellschaftlichen Rahmen üblich ist. 

Papeete Marina, Tahiti

Natürlich spielt Geld bei diesen Menschen immer eine Rolle. Die einen haben ihr neues Boot in Europa übernommen und sind mit einem ausreichenden Budget losgefahren und können sich so eine Reise schlichtweg leisten. Das sind allerdings die Wenigsten. Dann gibt es die, die mit einem begrenzten Zeithorizont und Budget unterwegs sind. Diese Segler sind meist schnell unterwegs, haben nur wenig Zeit, sich an den Orten aufzuhalten, und sind im Allgemeinen etwas gestresster als all die anderen Segler. Meistens sind sie mit einem sehr geringen Budget unterwegs und versuchen, sich durch Arbeit oft als Influencer über Wasser zu halten. Gelingt das nicht, wird es für diese Leute noch stressiger. Ganz im Gegensatz verhält sich die Gruppe derer, die Zeit haben. In der Regel älter, nicht üppig, aber mit einem soliden Budget ausgestattet, segeln sie dahin, wo es ihnen gefällt, und bleiben dort, bis diverse Auflagen sie dazu zwingen, weiterzuziehen, oder bis es ihnen selbst nicht mehr gefällt und sie einen anderen Ort kennenlernen wollen. Zu dieser Gruppe zählen wir uns. 

Tahiti, Blick auf Moorea

Doch es gibt noch eine weitere Gruppe, die der Abenteurer. Abenteurer sind in der Regel schon lange unterwegs, geschieden, haben oft eine Freundin, die mindestens 20 Jahre jünger ist, und sind mit einem großen Erfahrungsschatz ausgestattet (der Abenteurer, nicht die Freundin, möglicherweise aber auch die Freundin). Dass sie einem, mit ihren Weisheiten, ganz schön auf den Zeiger gehen können, merken sie schon lange nicht mehr, was wohl daran liegt, dass sie über längere Phasen alleine sind und wenn sich die Gelegenheit bietet, ihr Herz und ein bisschen mehr, wie Wasser aus einem Eimer, ausschütten. Finanzieren tun sich diese Leute über den Zufall. Sicherlich haben sie ein gewisses Grundbudget, welches oft nur bis zur Mitte des Monats reicht. Um so wichtiger ist es, auf irgendeine andere Art Geld zu verdienen. Ich lerne so einen Menschen in der Papeete Marina kennen. Er hat zurzeit den Checkpot geknackt. Er hat einen Landsmann gefunden, der vor kurzem, durch eine Erbschaft, Millionär geworden ist. Leider oder für den Abenteurer, zum Glück, hat dieser Landsmann, ein sehr eigenartiges Verhältnis zu Geld. Und weil er keine Vergleiche angestellt hat, zahlt er eine hohe Summe, um an Bord leben zu können. Dabei ist diese Symbiose alles andere als friedlich. Ich bekomme ja nur den Streit mit, wenn ich mit den beiden unterwegs bin. Ich möchte gar nicht wissen, was da sonst so alles an Bord abgeht.

Papeete Marina Launch, Tahiti

Auf jeden Fall hat das Goldstück einen etwas übermäßigen Hang zum Alkohol und versetzt sich des Öfteren in die Lage der Handlungsunfähigkeit. Vielleicht übertreibe ich auch ein bisschen, aber zumindest sind seine kognitiven Fähigkeiten so stark eingeschränkt, dass er Hilfe braucht. Eigentlich sollte, wir nennen ihn einmal Ernst, schon längst wieder zu Hause in Zürich sein, aber da der Flug, relativ früh am Morgen von Papeete weg geht, schafft er es nicht rechtzeitig bis zum Gate und da er den Flug jetzt schon mehrere Male verschoben hat, ist der Flug jetzt verfallen. Nicht das es sich um einen normalen Flug gehandelt hätte, nein, Ernst fliegt Businessklasse und der kostet entsprechend. Für den Preis hätte man, selbst in Papeete, so einige Bierchen trinken können. Aber auch die Unterkunft auf dem Boot wird ihm sogleich vom Konto wieder abgebucht. Dafür sorgt unser Abenteurer, und zwar noch bevor Ernst den Fuß wieder auf das Boot setzt. Völlig aus der Bahn geschmissen, braucht Ernst jetzt erst einmal ein paar Tage, bis ihm das ganze Ausmaß klar wird und er sich wieder dazu durchringen kann einen neuen Flug zu buchen. Auch hier wird er wieder Hilfe in Anspruch nehmen müssen, da solchen Buchungen über das Handy nicht unbedingt Ernsts Sache ist. Unserem Abenteurer kann es Recht sein, solange Ernst seine Hilfe in Anspruch nimmt, rollt der Rubel, respektive der Euro. Zumal sich noch ein weiterer positiver Nebeneffekt ergibt. Man kann sich so richtig schön satt essen. Da Ernst gern in einen „Spunten“ (Schweizer Wort für Kneipe, Lokal) geht, ist die Zahl der Restaurantbesuche, für unseren Abenteurer in den letzten Monaten, deutlich angestiegen. 

"Spunte" Papeete Marina, Tahiti

Bei einer Flasche Rotwein, und wenn die nicht reicht, auch eine Zweite, lässt sich einfach locker, über die Situation, diskutieren. Und die Beiden diskutieren sehr viel miteinander. Immerhin kostet so eine Flasche Rotwein um die 50 €, was ich von Ernst sehr nobel finde, aber mir etwas peinlich ist. Ich beteilige mich dann immer zu einem Drittel, zumindest an der ersten Flasche. Wie dem auch sei, bleibt abzuwarten, wann Ernst endlich die Kurve bekommt und es tatsächlich schafft, einen Flug zu buchen, den auch rechtzeitig zu erwischen, um zurück in die Schweiz zu gelangen. Theoretisch könnte es sein, das ich Europa früher sehe als Ernst. Ja so unterschiedlich sind Menschen und zurzeit frage ich mich: Welche Menschen interessanter sind, die Einheimischen oder die aus meinem eigenen Kulturkreis? Ich glaube, man muss für alle Menschen offen sein. In diesem Sinne wünsche ich euch wie immer, eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und haltet die Ohren steif.

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