Bevor jetzt einer meine Doktorarbeit sehen will oder mir mit Plagiatsvorwürfen kommt: Das Dr. steht nicht für Doktor, sondern für Degeneration und Praxis im Sinne von praktischer Anwendung und nicht die Arztpraxis als Anwendungsort medizinischer Behandlungen. Trotzdem ist es nicht schlecht, auf so einer Reise ein breites Spektrum an Wissen zu haben. Tatsächlich scheint sich so langsam alles aufzulösen. Das fängt bei Gaby an und zieht sich über so manches Kunststoffteil am Boot bis hin zum Öldruckgeber am Motor. Es zeigt, dass so manches nicht für die Ewigkeit gemacht ist. Auch wenn es bei mir in meinem Berufsleben nicht zum Doktortitel gereicht hat, erarbeitet man sich auf solch einer Reise doch enorme Kenntnisse.
|
Alles im grünen Bereich |
Zurückblickend, als wir vor vier Jahren unsere Reise begonnen haben, ging ein Medizinseminar im beschaulichen Bad Reichenhall voraus. In der idyllischen Bergwelt der süddeutschen Alpen ließen wir uns damals die Grundkenntnisse der medizinischen Notfallversorgung vermitteln. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns fest vorgenommen, diese Kenntnisse nie anwenden zu wollen. Doch wie das im Leben so ist, gehen Illusion und Wirklichkeit oft getrennte Wege. Mittlerweile konnten wir das Erlernte schon oft in die Praxis umsetzen. Im Einrenken von Gliedmaßen und Nähen von Wunden haben wir schon lang keine Scheu mehr, und wenn es in Bad Reichenhall noch eine Schweinshaxe war, kommt doch schnell die Erkenntnis, dass ein menschliches Knie auch nichts anderes ist. Zumindest was das Nähen betrifft. Diese Woche haben wir dann die Fäden aus Gabys Knie gezogen, sodass sie nach ihrem Unfall wieder teilmobil ist. Auch der Ellbogen entwickelt sich erfreulich, muss aber noch mindestens zwei Wochen ruhig gehalten werden, was ihr natürlich jetzt deutlich schwerer fällt, als der Arm noch in einer Gipsmanschette lag. Wäre also nur noch das Auge, das Gaby zwingt, vorzeitig nach Deutschland zu fliegen.
|
Fäden gezogen |
In der Zwischenzeit warte ich ab, ein geeignetes Wetterfenster Richtung Tahiti zu finden. Auch wenn die Hurrikan-Zugbahnen weiter westlich gegen Südosten gehen, ist es nicht ganz ungefährlich, von den Marquesas Richtung Tahiti zu segeln. Im Moment herrschen starke Regenfälle in Papeete und die wenigen Liegeplätze sind unsicher. Einige Besitzer von Mega-Yachten hat das Wetter in Papeete veranlasst, in die Marquesas zu segeln und die Unwetter dort abzuwarten. So haben wir auf Nuku Hiva vier von den Yachten über 30 Meter in der Bucht liegen. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass so ein Hurrikan auch mal etwas weiter östlich seine Zugbahn nimmt. Es bleibt also abzuwarten, was das Wetter macht, um dann hoffentlich die richtige Entscheidung zu treffen.
|
Immer alles schön dokumentieren |
Derweil habe ich die Maschinenwartung abgeschlossen, was einen Teilerfolg gebracht hat. Immerhin hält sich der Öldruck wieder über zwei Stunden, bevor er dann anfängt erneut zu schwächeln. In Papeete gibt es einen Yanmar-Service, den ich dringend aufsuchen werde. Das bedeutet aber auch, dass der Motor nur noch als Hilfsmaschine verwendet werden kann. Ich mache also einfach das, was ich schon immer gemacht habe. Segeln! Schon die 4000 Meilen zu den Gambiers haben wir unter Segeln bewältigt, wobei es Tage gegeben hat, an denen wir gerade einmal 13 Seemeilen vorangekommen sind. Aus diesem Grund sind es denn auch 51 Tage geworden. So ist nun auch der Plan, nach Tahiti zu kommen. Wobei ich nicht denke, so lange als das letzte Mal zu brauchen. Ja, und dann hoffe ich, dass ich einen Platz für unser Boot finde, um auch nach Deutschland fliegen zu können.
|
Megayacht auf Nuku-Hiva, Marquesas |
Doch soweit ist es noch nicht. Allerdings lässt sich die Degeneration von den Wirren des Wetters oder technischen Herausforderungen nicht aufhalten. Es macht Flop und ein schwarzer Plastikdeckel springt, folgend einer Feder, gegen den inneren Heckspiegel unseres Dinghys. Lustig hüpft er, mit immer noch ausreichend kinetischer Energie, durch das Boot und will sich gerade über die Bordwand ins Meer verabschieden, als der Impuls jäh von mir mit dem Fuß unterbrochen wird. Die Untersuchung ergibt, dass sich der Mechanismus, der die Benzinleitung am Tank fixiert, verabschiedet hat. Der Kunststoff hat sich in der Sonne schlicht aufgelöst und die Rillenvertiefung, die den Deckel gehalten hat, zersetzt. Der Federdruck gab dem Ganzen den Rest. Mit einem Draht fixiere ich die Feder und den Deckel und halte beide in Position. Immerhin hält es provisorisch, bis ich einen neuen Tank gekauft habe, da das Anschlussstück für meinen alten Tank natürlich nicht verfügbar ist. Soviel zu den Ersatzteilen, die man um die halbe Welt schleift: Das passende Teil hast du nie dabei. In diesem Sinne immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und haltet die Ohren steif.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen