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Feuchte Träume

Dunkle Wolken ziehen immer wieder über den Mount Orohena, den Hausberg von Papeete. Man kann das Wetter zurzeit als durchwachsen bezeichnen. Immer wieder gibt es mal einen Regenschauer. Das Ganze ist eigentlich relativ unproblematisch, da so ein Regenschauer nicht wirklich irgendetwas an der Temperatur ändert. Ja, es scheint so, als ob auf Tahiti überhaupt nichts die Temperatur ändern könnte. Tag und Nacht hat es eine durchschnittliche Lufttemperatur von 29 °C. Ob am Boden gemessen oder zehn Meter über dem Boden, ob bei Regen oder Sonnenschein. Für einen Klimatologen dürfte das äußerst langweilig sein. Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Aber wie das so ist, hat auch solch ein Wetter seine Tücken. Wie sich jeder vorstellen kann, ist es bei diesen Temperaturen schwer, einzuschlafen. In der Koje staut sich die Luft und aufgrund des wenigen Windes kommt nicht genügend Frischluft über die Luke ins Innere. Irgendwann schläft man dann doch ein, die besagte Luke weit aufgerissen. Träumt

St. Laurent du Maroni – Stadt der rasselnden Ketten

Stimmen dringen an mein Ohr. Ketten rasseln. Ein Dampfschiff hat an dem Holzsteg vor St. Laurent, am Maronifluß angelegt. Die Fracht, neue Gefangene, politische Gefangene. Sie werden auf dem großen Platz vor dem alten Zollamt versammelt, um dann in das Verteillager verbracht zu werden. Dort werden sie, je nach Vergehen, in eines der fünf Straflager von Französisch Guyana, verteilt. 

Ankunft in St. Laurent du Maroni

Als politischer Gefangener hat man in Frankreich um 1900 nicht viel zu lachen, die Strafbedingungen sind hart, kaum einer überlebt das erste Jahr. Ich frage mich, was ist eigentlich ein politischer Gefangener, was hat er angestellt und wie wird man zu so einer Strafe verurteilt? „Ein politischer Gefangener ist eine Person, die aus politischen oder weltanschaulichen Gründen in Haft ist. Die Unterscheidung zwischen politischen und legitimen Gefangenen ist auf rechtspositivistischer Basis nicht eindeutig.“ Zitat Ende. Es gibt also legitime Gefangene, von denen ist hier nicht die Rede und es gibt Gefangene die sind nicht legitim. Da gewinnt für mich der Begriff von Rechtstaatlichkeit eine ganz neue Bedeutung. Aber in einem modernen Rechtstaat gibt es ja so etwas nicht mehr, das macht man heute anders. Man kann also davon ausgehen, dass die meisten Sträflinge, Bedingungen wie sie hier geherrscht haben, nicht verdient hatten. 

Gefangenentrakt St. Laurent du Maroni

Unzählige Wracks um das Bojen Feld, in dem wir liegen und die Stadt, mit ihren zahlreichen historischen Bauwerken im Kolonialstil, zeugen von dieser Zeit, in der die Ketten der Fußfesseln über die staubigen Straßen rasselten. Heute lebt hier ein bunter Mix von Menschen. Neben den Europäern sind das einige Mischlinge, Kreolen, Afrikaner, Chinesen und Hmong. Außerdem leben sechs indigene Völker, wie die Kalina, Pahikweneh, Lokono, Wayana, Wayapi und Teko in Französisch Guyana. 

Hauptstraße St. Laurent du Maroni

Die Marina wird von Davide geführt, dessen Ambitionen, hier eine große Marina aufzubauen, sehr geschwunden sind. Covid bedingt scheinen hier doch ein paar unüberwindliche Hürden im Weg zu liegen, aber er gibt sich sehr viel Mühe und ist immer eine helfende Hand. Auch wenn manchmal Resignation durchblitzt, ist der Tatendrang schnell wieder hergestellt. Der Steg ist immer noch nicht verlängert und kann nur von einem Boot und als Dinghydock genutzt werden. Das Anketten des Beibootes wird weiterhin empfohlen. Ketten haben in dieser Region wohl ihre Tradition. So beschränkt sich die Marina, auf die 20 Bojen die im Fluss vor dem Wrack Edith Cavall liegen. Das Dampfschiff wurde 1889 gebaut und ist 1924 vor St. Laurent auf Grund gelaufen. Mittlerweile hat sich ein schöner Wald aus dem Inneren des Rumpfes entwickelt. Wir sind zwar runde 20 Seemeilen vom Meer entfernt, dennoch sind die Gezeiten hier deutlich zu spüren. 

Bojenfeld Marina St. Laurent du Maroni

Da ich zu faul bin den Außenborder ans Dinghy zu schrauben und ich mir jeden Tag aufs Neue einrede, Rudern ist gesund und hält fit, ist die Überbrückung der rund 300m zum Landungssteg, oft eine Herausforderung. Gaby als sprechende Galionsfigur gibt lautstark die Richtung und den Takt an, während ich mich in die Riemen schmeiße. Bei auflaufendem Wasser und Wind entsteht eine nicht unerhebliche Gegenströmung, die einem Endfünfziger ganz schön zu schaffen machen kann. So sorgen wir, unter den Franzosen, die hier in der Überzahl sind, jeden Tag für ganz großes Hafenkino. In der Bar wetten sie und schmeißen Euros in einen Topf, schafft er es oder treibt er nach Suriname. Wenn ich dann völlig außer Atem ankomme, Gaby fragt sich immer was denn mit mir los sei, ist das erste Bier gesichert und man klopft mir, beim vorbei gehen, anerkennend auf die Schultern. Da wir auf den Kap Verden, was die Lebensmittel anbetraf, doch ein wenig unterversorgt waren, eröffnet sich uns, in St. Laurent, ein deutliches Überangebot an europäischen Waren. Allerdings ist dieser Konsumtempel runde zwei Kilometer entfernt und bei 30°C und hoher Luftfeuchtigkeit nur schwitzend erreichbar. Ist der Hinweg noch gut zu bewältigen, stellen sich auf dem Rückweg immer wieder Halluzinationen, von Wassertropfen perlende Bierzapfhähne ein, unter denen eisgekühlte Biergläser stehen. 

Sundownder Bar and Lounge Marina St. Laurent du Maroni

Immer wenn ich nach einem Glas greife, greife ich ins Leere und Gaby fragt dann, was ich da mache. Ich bin dann immer froh, wenn hinter dem Zapfhahn unsere Boot Katinka wieder auftaucht. Am späten Nachmittag treffen wir uns dann bei Davide in der Bar zum Sundowner. Die Community ist recht klein und besteht aus ein paar Franzosen die wir so gut wie nicht verstehen, aber es ist lustig und sie versuchen uns ins Gespräch immer wieder einzubinden. Insofern fühlen wir uns hier sehr wohl und es gibt ja auch noch einiges zu entdecken. 

Wrack St. Laurent du Maroni

Was das so alles ist erfahrt ihr wie gewohnt auf www.glenswelt.com. Bis dahin eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und haltet die Ohren steif.

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