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Feuchte Träume

Dunkle Wolken ziehen immer wieder über den Mount Orohena, den Hausberg von Papeete. Man kann das Wetter zurzeit als durchwachsen bezeichnen. Immer wieder gibt es mal einen Regenschauer. Das Ganze ist eigentlich relativ unproblematisch, da so ein Regenschauer nicht wirklich irgendetwas an der Temperatur ändert. Ja, es scheint so, als ob auf Tahiti überhaupt nichts die Temperatur ändern könnte. Tag und Nacht hat es eine durchschnittliche Lufttemperatur von 29 °C. Ob am Boden gemessen oder zehn Meter über dem Boden, ob bei Regen oder Sonnenschein. Für einen Klimatologen dürfte das äußerst langweilig sein. Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Aber wie das so ist, hat auch solch ein Wetter seine Tücken. Wie sich jeder vorstellen kann, ist es bei diesen Temperaturen schwer, einzuschlafen. In der Koje staut sich die Luft und aufgrund des wenigen Windes kommt nicht genügend Frischluft über die Luke ins Innere. Irgendwann schläft man dann doch ein, die besagte Luke weit aufgerissen. Träumt

Das Wrack Edith Cavell

Der Bug der SS Edith Cavell

Über die am Bug befindlichen Ankerkettenauslässe klettere ich an Bord. Das Dinghy an einer rostigen Stahl Öse befestigt. Auf allen Vieren krieche ich durch ein dichtes Geäst, überall wuchern Baumstämme und Blattwerk, aus dem Rumpf der Edith Cavell, dem Himmel entgegen. Ich ärgere mich, dass ich meine Machete nicht mitgenommen habe. Gerade für solche Zwecke hatte ich sie doch gekauft. Von unserem Bojenplatz war schon zu erkennen, dass der Frachter stark zu gewuchert ist, aber dass hier so ein Dickicht herrscht, habe ich nicht erwartet. Wieder etwas gelernt, beim nächsten Mal besser vorbereiten. Der britische Dampfer wurde 1898 von Bartram&Son Ltd. in Sunderland erbaut, und als SS Wagner von Taylor, Jenneson&Co London, in Betrieb gesetzt. 1915 wurde das Schiff an Moss H. E.&Co Liverpool verkauft und zur SS Edith Cavell umbenannt. 1924 lief das Frachtschiff, in St. Laurent du Maroni, auf Grund. Gemunkelt wird, dass nach mehreren Versuchen in Cayenne und Kourou einen Versicherungsfall zu provozieren, dies dann endlich in St. Laurent, gelungen ist. Wie auch immer, seit 1924 liegt das Schiff nun hier und bildet eine prächtige Kulisse. Durch den Sand und Schlamm des Maroni Flusses, sowie vorhandene Samen im Schiffsrumpf, hat sich ein schützender Wald, vor dem Bojenfeld der rund 20 Bojen, im Laufe der fast 100 Jahre, gebildet.

Deck der Edith Cavell

Die Namensgeberin Edith Cavell war eine britische Krankenschwester, die in Belgien im Ersten Weltkrieg, von einem deutschen Militärgericht zum Tode verurteilt wurde. Sie wurde, insbesondere für das Zuführen von Mannschaften an den Feind, angeklagt. Cavell verhalf im Rahmen ihrer Tätigkeit als Oberin eines belgischen Lehrkrankenhauses zahlreiche Verwundete zur Flucht. Für Fluchthilfe gab es damals, laut Reichsstrafgesetzbuches, als Höchststrafe lebenslänglich Zuchthaus, warum hier ein Todesurteil, das am Folgetag vollstreckt, ausgesprochen wurde, wird wohl nie aufgeklärt werden. Auf jeden Fall starb sie als Märtyrerin, was für das Schiff offensichtlich kein gutes Omen war.

Mittschiffs auf der Edith Cavell

Ich schlage mich also durch das Gestrüpp und erreiche eine freie Stelle und die erste Ladeluke. Das Stahldeck ist in erstaunlich gutem Zustand. An Steuerbord entdecke ich, dass ich bequem an Deck gelangt wäre, hätte ich das Schiff zunächst einmal umrundet. Aber dann wäre es kein Abenteuer gewesen denke ich mir und inspiziere die Leiter, die ins Innere des Schiffes führt. Leider komme ich hier nicht weiter, da die Frachträume mit Wasser vollgelaufen sind. Auch das Schiff ist auf seinen knapp 107 Meter Länge in der Mitte auseinandergebrochen. Unter einem Baum der etwa 10 Meter in die Höhe sprießt und die ganze Breite des Schiffes von 14 Meter einnimmt, entdecke ich eine der beiden Schiffsschrauben. Ebenfalls aus Stahl gefertigt. Mit ihren gut 2 Metern im Durchmesser, würde sie, wenn aus Bronze gefertigt, schon lange nicht mehr hier liegen. 

Schiffsschraube

Dichtes Blattwerk versperrt mir erneut den Weg und ich entschließe mich zum Dinghy zurückzukehren und am Heck eine Stelle zu suchen, um noch einmal die Edith Cavell zu entern. An einem Schäkel festmachend gehe ich mit dem Dinghy längsseits und springe erneut an Deck. Der Ruderquadrant steht am Ende einer Welle ca. 3m über mir. Mir fallen die Stahlnieten, die sich in rostigem Wasser spiegeln, auf und ich denke mir, solide Werftarbeit. Die Erbauer hatten es wohl für die Ewigkeit gebaut, jetzt rottet es vor sich hin und zeugt von einer längst vergessenen Zeit. Es wird aber noch eine ganze Weile dauern bis dieses Wrack verschwunden ist. Auch nach weiteren hundert Jahren wird man in einem kleinen Wald Schiffsreste der Edith Cavell finden, und der ein oder andere wird sich fragen: Wer war Edith Cavell? Ein Mensch der durch seine humanitäre Einstellung, von einem übereifrigen Militärgericht, rechtswidrig zum Tode verurteilt wurde, und der man aus Standesdünkel und Machtdemonstration, die notwendige und gebührende Hilfe, verweigert hat.

Verbogener Stahl

Es ist immer wieder spannend mit welchen Themen man auf so einer Reise konfrontiert wird. Natürlich muss man sich darauf einlassen, man kann auch darüber hinweg sehen, aber wir lernen jeden Tag dazu und freuen uns darüber. Auch mitten im Regenwald von Französisch Guyana kommen immer wieder unverhoffte Dinge zu Tage, die einen ins Staunen versetzen. Um sich dieses Staunen zu erhalten unternehmen wir diese Reise, und so lange wir uns diesen Zustand erhalten, so lange wird dieses Staunen unser Leben bereichern. Wir wünschen euch allen weiterhin jeden Tag etwas zum Staunen, schaut weiter bei uns rein und haltet die Ohren steif.

Heck der SS Edith Cavell


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