Wenn die Kompromisse beim Segeln ins Geld gehen
Es wird einem immer geraten, auf die perfekten Segelbedingungen zu warten. „Der geduldige Skipper hat immer guten Wind.“, sind so die Sprüche, die da kommen. Aber was sind perfekte Segelbedingungen? Nach unserer, jetzt über sechsjährigen Erfahrung gibt es keine perfekten Segelbedingungen. Wie im richtigen Leben bedarf es immer eines Kompromisses. Dabei korreliert die Kompromissbereitschaft mit den zu erwartenden Defekten an Bord.
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| Südpazifik |
Wir gehen also den Kompromiss ein und starten auf unseren Törn von Fidschi nach Neuseeland. Das Ausklarieren beim Zoll und bei der Migration verläuft problemlos und ist in einer halben Stunde erledigt. Zuvor haben wir in der Marina unsere Abreise organisiert und dürfen etwas länger als normalerweise üblich an der Boje bleiben. Der Wind ist schwach und wir planen, die erste Strecke bis zum Außenriff unter Motor zurückzulegen. Die Wettervorhersage sagt moderaten Wind von 15 Knoten aus Süd voraus. Nicht gerade unsere bevorzugte Windrichtung, denn wir wollen ja in den Süden, aber das gehört eben auch zum Kompromiss. Der nicht vorhandene Wind in Denarau erweist sich schon in der Fahrrinne als trügerisch und bläst uns mit elf Knoten entgegen. Das wäre dann Nordwesten und für unser Vorhaben, nach Süden zu segeln, perfekt. Allerdings folgt der Wind der Küstenlinie und dreht nach den ersten Meilen immer weiter Richtung Süden, bis er schließlich aus Südsüdwest kommt. Es wird also zunächst nichts mit dem Segeln. Durch das Außenriff sind wir vor der Welle auch noch relativ gut geschützt. Das ändert sich dann bei der Durchfahrt durch den Pass im Südwesten der Hauptinsel Viti Levu. Eine nur 1,5 Meter hohe, dafür kurze Welle im Drei-Sekunden-Takt aus Südost erwartet uns und schüttelt uns mächtig durch. Keine Zeit, sich einzugewöhnen, sondern gleich die volle Breitseite. Zum Glück hat der Wind noch etwas weiter nach Süden gedreht und kommt jetzt direkt aus Süd, sodass wir Richtung Südwesten laufen können. Statt der angekündigten 15 Knoten sind es jetzt schon 21 Knoten. Um nicht völlig nach Westen zu segeln, ergibt sich ein Amwindkurs von 60°. Das ist für einen Katamaran ein halbwegs erträglicher Kompromiss, da die Geschwindigkeit noch weiter am Wind rapide abnimmt. Außerdem haben wir schon einen scheinbaren Wind von 25 bis 27 Knoten auf das Rigg wirkend. Die Lose in der Steuerbordwante ist zum Teil bedenklich. Die Katinka Enjoy läuft mit bis zu acht Knoten der Nachmittagssonne entgegen. Der Wellendruck unter diesen Bedingungen ist in dieser Region des Südpazifiks enorm. Die Schläge unter das Brückendeck sind gewaltig und beängstigend. Im Inneren können wir uns nur auf allen Vieren an Bord bewegen. Außen benötigt es immer eine Hand zum Festhalten. Zum Glück scheint wenigstens die Sonne. Der Wind steigert sich auf 25 Knoten wahren Wind und 30 Knoten scheinbaren Wind. So hatten wir uns unseren Kompromiss nicht vorgestellt. Die Bedingungen halten vier Tage und Nächte an. Einziger Unterschied: Der Wind dreht auf Südost und weiter auf Ostsüdost, was uns die Möglichkeit gibt, unser Ziel Opua in Neuseeland vom Kurs her direkt anzulegen. Mit dem kleinen Umweg, den wir am Anfang in Kauf nehmen mussten, sind das schlappe 1100 Seemeilen. Am Morgen des fünften Tages ist der Wind plötzlich weg. Das Meer beruhigt sich langsam und auch wir kommen etwas zur Ruhe. Gerade bei einer kleinen Crew sind solche Bedingungen sehr anstrengend, weil man auch in der Nacht viele Dinge zu zweit machen muss und somit kaum Schlaf bekommt.
Durch die heftigen Schläge der Wellen unter das Brückendeck und an die Rümpfe hat es das Leitblech der Lenzrohre für das Cockpit weggerissen und auf der Steuerbordseite die Verankerung des Hahnepots aus dem Rumpf. Schlägt eine Welle nun von unten an das Brückendeck, schießt eine Fontäne aus den Lenzrohren. Das Dumme an der Sache ist, dass diese Rohre bei einer Lagoon 421 im Eingangsbereich zum Salon angeordnet sind. Das ist also mitunter eine ziemlich feuchte Angelegenheit. Machen kann man auch wenig, außer die Löcher mit Tüchern vollstopfen, was die Gefahr birgt, bei einer überkommenden Welle nicht genügend Wasserablauf zu haben. Wir gehen den Kompromiss ein, da wir sonst unter diesen Bedingungen den ganzen Salon unter Wasser setzen würden. Die Wahrscheinlichkeit einer überkommenden Welle erscheint uns eher gering.
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| Lenzrohre vor Saloneingang, Lagoon 421 |
Durch das Loch des herausgerissenen Hahnepots wird durch die Wellen immer wieder Wasser ins Schiff gepumpt, welches dann die Bilgepumpe aktiviert. Bei dem Seegang, der mittlerweile über drei Meter angenommen hat, eine haarige Geschichte, vorne auf dem Vorschiff herumzuturnen. Wie auch immer, was gemacht werden muss, muss gemacht werden. Bei der Bergung des Hahnepotstampens fällt mir auf, dass die Leine der Rollgenua durch den Tampen beschädigt wurde. Auch diese Leine muss ausgetauscht werden.
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| Neue Leine für die Rollgenua |
Dann hat durch die kurze, heftige Welle unser Dinghy ganz schön was abbekommen. Das ohnehin schon unter leichtem Luftverlust leidende Beiboot hat sich durch die Welle dann vollständig aufgescheuert und in zwei Kammern die Luft verloren. Da wird wohl in Neuseeland ein neues fällig. Zu guter Letzt hat sich dann noch eine unserer Toiletten verabschiedet. KI behauptet, in den meisten Fällen sei die Entlüftung verstopft. Nachdem ich mich dann voller Zuversicht auf das Problem gestürzt und bis zu den Ellenbogen in der Scheiße gesteckt habe, kam die Ernüchterung, dass KI auch noch nicht das ist, was dir so mancher Computerfreak verkaufen will. Der Schwarzwassertank ist nach wie vor verstopft und ich ahne Schlimmes, was da mit diesem Problem noch alles auf mich zukommen wird. Aber bevor das jetzt hier unappetitlich wird, belasse ich es erst einmal bis hierher. Dass es noch schlimmer geht, beweist ein Notruf, der uns erreichte. Eine Yacht, runde 100 Seemeilen vor uns, hat einen Ruderschaden. Ein Notruder wurde gebaut, aber das funktioniert scheinbar nur, wenn der Motor mitläuft. Da der Diesel knapp zu werden scheint, hat man uns gefragt, ob wir etwas Diesel abgeben können. Das können wir, allerdings dürfen wir dann während der Flaute nicht so viel motoren. Jetzt holen wir so langsam wieder auf, da die Yacht unter Notruder und Motor schneller war als wir unter Segeln. In der Zwischenzeit eilt aber eine Yacht aus Opua den beiden Franzosen auf der Yacht zur Hilfe. Wir behalten sie trotzdem im Auge, falls sie doch noch etwas brauchen. Tja, auch auf anderen Yachten können Kompromisse sehr viel Geld kosten. Hauptsache, niemand kommt zu Schaden.
Nach zwei Tagen Schwachwind haben wir jetzt endlich wieder etwas Wind und wir segeln mit fünf Knoten durch den Südpazifik. Noch 300 Meilen bis nach Opua. Das schaffen wir auch noch. Wir wünschen Euch immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel und haltet die Ohren steif.





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