Jetzt ist es schon ein paar Tage her, seit ihr das letzte
Mal von uns gehört habt. Nicht, daß wir keine Lust mehr haben Euch an unserem
Abenteuer teilhaben zulassen, doch die Atlantiküberquerung hat uns zeitweise
aus der virtuellen Welt ausgeschlossen und ehrlich gesagt, wir haben die Zeit
genossen. Jetzt da wir den Atlantik überquert haben, zieht wieder unser
normales Leben an Bord ein und wir beginnen mit unserer Routine, zu der auch das
Schreiben gehört.
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Mitten auf dem Atlantik |
Unser Katamaran ist im Cockpit mit vier Lenzrohren
ausgestattet, um eindringendes Wasser, durch eine Welle, möglichst schnell
wieder abfließen zu lassen. Uns ist das bis jetzt, bei der Überfahrt von Gran
Canaria nach La Gomera, einmal passiert, daß eine Welle sich ins Cockpit
verirrt hat. Ich hätte mir ein schnelleres Ablaufen des Wassers gewünscht, aber
immerhin haben die Lenzrohre ihren Zweck erfüllt. Allerdings haben diese
Lenzrohre auch eine unangenehme Eigenschaft. Die beiden Schwimmer unseres „Cat´s“
sind mit einem sogenannten Brückendeck verbunden. Unter dem Brückendeck fließt
das Wasser, und was nicht ganz unbedeutend ist, auch Luft hindurch. Nimmt der „Cat“
dann Fahrt auf, wird die Luft unter dem
Brückendeck komprimiert und drückt, aus den im letzten Drittel befindlichen
Lenzrohren, von unten nach oben heraus. Das natürlich nicht ohne die
entsprechende Geräuschkulisse. Wie durch Orgelpfeifen wird die Luft durch die
Röhren gedrückt und verursacht ein höllisches Fauchen. Zusammen mit dem
Wasserrauschen, das ab 6,5 Knoten Fahrt zu einem infernalen Getöse anschwillt,
kann man sich an Bord nur noch schreiend verständigen. Diesem Geräuschpegel
permanent über mehrere Tage und Nächte ausgesetzt zu sein war das, mit am
kräftezehrendste unserer Atlantiküberquerung.
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Katinka in der Marina Mindelo |
Seit Tagen beobachte ich die Wetterentwicklung, und seit
Tagen warte ich auf eine der nächsten tropischen Wellen, die südöstlich der Kap
Verden entstehen. Die Idee ist es, eine dieser Wellen vorbeiziehen zu lassen
und dann dieser hinterher zu segeln. Aber das Wetter tut mir den Gefallen nicht.
Als dann über eine Woche der Passatwind, dauerhaft und stetig, anhalten soll,
werfen wir die Leinen in Mindelo los und starten am 7.Oktober zu unserer ersten
Atlantiküberquerung. Wir verabschieden uns von unseren gewonnen Freunden und
nehmen die knapp 1800 Seemeilen in Angriff. Am Nachmittag des ersten Tages
erreichen wir die Windabschattung der Insel Sao Antao und dümpeln mit 1,8
Knoten in einer fürchterlichen Kreuz See.
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Zwei Wochen nichts ausser Wind und Wellen
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Erstaunlicherweise bleibt Gaby, die ganze Reise, von ihrer sie sonst so heftig verfolgenden Seekrankheit verschont. Erst nach 13 Seemeilen, es ist mittlerweile schon dunkel, setzt der Wind wieder ein. Die ersten vier Tage kommen wir bei moderatem Wind ganz gut voran und erzielen Etmale von 120 Seemeilen. Gaby gewöhnt sich nur schwer an die Monotonie von Wind und Welle. Vier Tage auf dem Wasser und immer noch zwölf Tage das gleiche Bild, fasst nicht auszuhalten. Die Moral sinkt in den Keller, ich gebe mir alle Mühe sie wieder aufzubauen. Dazu kommt, daß im Süden von uns zahlreiche Gewitter niedergehen, die immer wieder eine Welle aufbauen, die gegen die normal herrschende Dünnung aus Nordost kämpft, was immer wieder eine unangenehme Schiffsbewegung verursacht. Die Wettervorhersage, die ich mir täglich über das Iridium Satellitensystem herunterlade, zeigt allerdings keine tropischen Stürme an. Am fünften Tag legt der Nordost Passat langsam zu und wir erreichen eine Geschwindigkeit von durchschnittlich 7,5 Knoten. Der „Cat“ fängt an zu fauchen und das Rauschen der See ist ohrenbetäubend. Vor allem in der Freiwache ist an Schlaf so gut wie nicht zu denken. Das Etmal steigt auf 166 Seemeilen und irgendwann schlafen wir auch auf unserer Freiwache. Man merkt das daran, daß man zu Träumen anfängt. Alles was einem so am Tag durch den Kopf schießt, wird dann nachts im Traum verarbeitet. Mitunter wirres Zeug, konfus und zusammenhanglos. Gerädert wacht man dann auf und tritt seine Wache an.
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Gutes Essen hebt die Moral |
Wir
haben uns für einen zwei Stunden Rhythmus entschieden. Das macht es für den,
der Wache schiebt einfacher. Irgendwann fängt man nämlich an, weiße Elefanten
zu sehen und mit sich selbst zu sprechen. Das Problem ist nicht, daß man selber
mit sich spricht, nein das Problem ist, daß man meint ein anderer spricht mit
dir. So sind wir jedes Mal froh, wenn wir die Sonne im Osten aufgehen sehen. Delfine
besuchen uns und tummeln sich über eine Stunde um unser Boot, und spielen mit
dem, sich immer wieder in die Wellen eintauchenden Bug.
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Delfine, immer eine willkommene Abwechslung |
An Tag 11 lässt der Wind in der Nacht nach. Wir haben inzwischen 8° nördliche Breite erreicht und befinden uns nicht mehr im Gefahrenbereich tropischer Stürme. Allerdings kommen wir den sogenannten „Squalles“, das sind heftige Gewitter, immer näher. Bedrohliche grauschwarze Wolken bauen sich vor und hinter uns auf. Von weitem sieht man die Böe auf einen zukommen. Bis jetzt bleibt uns jedoch ein heftiger Regenguss erspart. Das ändert sich an den Tagen 12 und 13. Der Wind hat auf unerträgliche 5 Knoten nachgelassen und die Fahrt ist aus dem Boot. Wir merken dies an der plötzlichen Stille die herrscht. Kein Rauschen, kein Fauchen, vielleicht einmal ein fast unmerkliches Gurgeln. Wir genießen die Ruhe und lassen unsere Gedanken, wie auch das Boot, treiben. Kein Motorengeräusch soll die Ruhe stören. Doch jetzt stürzen sich die grauschwarzen Wände auf uns. Schnell kommen sie näher und umschließen uns. Heftiger Regen geht nieder und die Wellen werden durch die Regentropfen niedergedrückt. Das Meer sieht aus wie ein riesiger Wattebausch. Immer wieder fallen Böen bis zu 25 Knoten ein und drücken uns wieder ein Stück nach Westen. Die Sicht ist stark eingeschränkt und ein Wassernebel schwebt über dem Meer. Der heftigste „Squall“ dauerte eine ganze Stunde, ansonsten ist der Zauber in einer halben Stunde vorbei.
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Squall auf dem Atlantik |
Ich denke an
Spinoza, der in irgendeinem Lehrsatz, die Nummer ist mir leider entfallen,
sagt: „Alles was in der Natur vorkommt hat einen Sinn und ist von Gott so
gewollt.“ Da ich Spinozas Ethik jetzt schon dreimal gelesen und ich ihn immer
noch nicht ganz verstanden habe, frage ich mich, ob die See am Austrocknen ist oder
das Boot dringend eine Süßwasserdusche benötigt. Ich entscheide mich für das Letztere,
weil ich mir nicht ausmalen möchte, was das Erstere für Konsequenzen für unsere
Weiterreise hätte. Mir kommt dann noch in den Sinn, daß ich Spinoza nur deshalb
nicht ganz verstehe, weil er genauso viele Kommas in seinen Sätzen unterbringt,
wie ich das gewöhnlich tue. Aber auch den Gedanken verwerfe ich schnell. In der
Nacht zum 14. Tag kommt wieder Wind auf und mit einer starken Strömung
erreichen wir noch einmal ein Etmal von 140 Seemeilen, welches uns 30 Seemeilen
vor die Inselgruppe „Ile du Salut“ bringt. Die Inselgruppe diente den Franzosen
einst als Gefangeneninsel für politische Sträflinge. Drei Seemeilen vor dem südamerikanischen
Festland wollen wir uns die Inseln etwas genauer anschauen. Aber auch hier holt
uns Corona wieder ein. Die Inseln sind für den öffentlichen Verkehr gesperrt.
Am nächsten Tag werden wir dann auch noch aus der Bucht vertrieben, da eine
Ariane Rakete in den Himmel geschickt wird, und die Inseln in die
Sicherheitszone fallen, die geräumt sein muss.
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Vor der Ile Royal (Ile du Salut) |
Also brechen wir zu unserem
Endziel St. Laurent du Maroni auf. Die Angelschnur surrt erneut aus und nachdem
ich schon zwei Fische durch eigene Dummheit verloren habe, nehme ich mir vor,
dem, am anderen Ende, diesmal keine Chance zulassen. Der zunächst als Yellow
Thun eingestufte Fisch, stellt sich im Nachhinein als „Cavalla“, Pferdekopfmakrele,
heraus, was den Fisch nicht weniger köstlich macht.
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Cavalla Pferdekopfmakrele (rechts im Bild) |
In der Nacht erreichen wir, bei auflaufendem
Wasser, die Flussmündung. Die Fahrrinne ist betonnt und so macht es keine Schwierigkeiten
dem Flusslauf zu folgen. Der Tag beginnt und die Schönheit der Gegend wird
sichtbar. Große Schmetterlinge flattern um unser Boot, und an Steuerbord der
Regenwald von Surinam, an Backbord der von Französisch Guyana. Das Holz riecht
süßlich und im Morgendunst taucht eine kleine Ansiedlung auf. Um 8:26Uhr machen
wir an einer Boje vor St. Laurent fest. Wir haben unser Ziel erreicht.
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Fluss Maroni, Franz.Guyana
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Unsere Atlantiküberquerung hat 14 Tage, 17Stunden und 39Minuten gedauert und wir haben 1765 Seemeilen zurückgelegt. Unsere Höchstgeschwindigkeit lag bei 15,4 Knoten, unsere niedrigste bei 1,8 Knoten. Im Durchschnitt sind wir mit 5 Knoten über den Grund gefahren. Die Lebensmittel, vor allem Obst und Gemüse, haben in den dafür vorgesehenen Netzen, sehr gut gehalten. Bananen sind schnell ausgegangen. Zitrusfrüchte und Kiwi haben am längsten gehalten. Insgesamt haben wir 230l Wasser verbraucht. Von den 1765 Seemeilen haben wir 62 Seemeilen unter Motor zurückgelegt. Mit Demut und auch mit ein bisschen Stolz freuen wir uns, uns in den erlauchten Kreis der Atlantiküberquerer einreihen zu dürfen.
Wie unser Abenteuer weitergeht erfahrt ihr auf
www.glenswelt.com. Bis zum nächsten Mal, wie immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und haltet die Ohren steif.
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Sonnenaufgang am Fluss Maroni, Franz. Guyana |
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Stolze Crew der SY Katinka, Atlantiküberquerung geschafft! |
Glückwunsch zur erfolgreichen Atlantiküberquerung. Liebe Grüsse Joe & Elke
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